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Gesichter eines Dorfes

Gouléako 1 – Leben am Rand des Taï-Nationalparks

Die Frauen des Dorfes waren damit beschäftigt, die Böschungen entlang der Straße von Gestrüpp zu befreien. Gut gelaunt unterbrachen sie die schwere Arbeit spontan für ein Gruppenfoto.

Als ich 2017 den ivorischen Taï-Nationalpark als Gegenstand eines langfristig angelegten Fotoprojektes aussuchte, hatte ihr vor allem die dortige Tier- und Pflanzenwelt im Sinn. Doch die unmittelbare Begegnung mit den Menschen vor Ort fügte meiner Arbeit eine für mich mittlerweile ebenso bedeutsame Facette hinzu. Im Folgenden möchte ich zum einen die Entstehung und Entwicklung des Projektes beschreiben und zum anderen einen Einblick in ein wunderbares Dorf am Rande des Nationalparks geben, dass im Zusammenhang mit einem Ökotourismus-Projekt versucht regionale Traditionen zu bewahren und Besuchern nahezubringen.

Gouléako 1 liegt an der Piste die im äußersten Westen der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) von Norden nach Süden entlang der Grenze zu Liberia verläuft. Sie verbindet die Städte Guiglo im Norden und Tabou (westlich von San Pedro) im Süden. Die Bewohner des Dorfes bewahren mit Stolz traditionelle Lebensweisen und überlieferte Rituale. In Zusammenarbeit mit der Wild Chimpanzee Foundation entstand hier ein Ökotourismus-Projekt. Besucher können traditionelle Tanzaufführungen besuchen und auch in Hütten des Dorfes übernachten.

Der tropische Regenwald Westafrikas spielt in der öffentlichen Wahrnehmung hierzulande keine nennenswerte Rolle. Ist von Afrika die Rede, denkt die Mehrzahl zunächst an Ostafrikas Savannen, an Südafrika oder Namibia, an Löwen, Elefanten, Gnus. Den etwas besser Informierten fällt dann vielleicht noch der Kongo ein, Afrikas Pendant zum Amazonas. Dort gibt es immerhin noch reichlich Regenwald, aber die Region ist oft eher mit weniger erbaulichen Themen wie kriegerischen Auseinandersetzungen und unter zweifelhaften Umständen abgebauten, jedoch für das Funktionieren von Smartphones unerlässlichen Erzen wie Kobalt und Coltan in den Schlagzeilen. Rund 3.000 Kilometer westlich aber, im Westen der Elfenbeinküste sowie in den angrenzenden Ländern Liberia und Guinea, finden sich tatsächlich noch Reste tropischen Regenwaldes. Und genau der war mein Ziel. 

Als ich Mitte 2016 die Idee für mein aktuelles Fotoprojekt zu entwickeln begann, stand nur die Überschrift fest: »Tropischer Regenwald«. Bei der Planung versuchte ich dann einige Dinge zu berücksichtigen, um die Wahl des Ziels einzugrenzen. So wollte ich die Flugstrecke möglichst kurzhalten und, um die Zeitverluste durch Jetlag zu minimieren, sollte die Region in der europäischen oder einer direkt angrenzenden Zeitzone liegen. 

Die Hütten sind – anders als in den meisten Dörfern, die man bei einer Fahrt auf der Piste zwischen Guiglo und Tabou durchfährt – in traditioneller Weise bemalt.

Die Motive stammen aus dem Lebensalltag der Bewohner und zeigen meist typische Tätigkeiten wie Jagd oder Fischfang ebenso wie Schimpansen (rechts) oder andere Tiere des Waldes.

Auf einige der Hütten finden sich aber auch abstrakte Muster. Verantwortlich für die Bemalung ist der Dorfvorsteher Monsieur Jocelin Tere, ein in der Region anerkannter Künstler.

Der Taï-Nationalpark

Damit kam Westafrika in den Fokus. Gründlichere Recherchen brachten mich schließlich auf den Taï-Nationalpark im äußersten Westen der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Der umfasst das aktuell größte unter Schutz stehende Regenwaldgebiet im Westen Afrikas und beherbergt neben interessanten Tierarten wie Leoparden und Waldelefanten auch eine große Population von Schimpansen. Letztere werden dort schon seit rund 40 Jahren erforscht. Federführend war bis 2019 das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie unter der Leitung von Prof. Christophe Boesch in Leipzig. Damit hatte ich also auch in Deutschland kompetente Ansprechpartner. 

Die Côte d’Ivoire ist zudem, nach einem blutigen Bürgerkrieg 2011, derzeit politisch stabil und daher – im Vergleich zu vielen anderen Ländern der Region – ohne gravierende Risiken zu bereisen. Allerdings ist die Infrastruktur im Land sehr unterschiedlich entwickelt. Rund um Abidjan und die Hauptstadt Yamoussoukro, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes, gibt es vielfältige öffentliche Verkehrsmittel und gut ausgebaute Straßen, im Westen allerdings ist das nicht der Fall und so muss man sich auf eine zweitägige Anreise von Abidjan zum Taï-Nationalpark einstellen. Das ist zwar tatsächlich auch per Bus möglich, angesichts meines umfangreichen Fotogepäcks miete ich jedoch für die Anreise ein Allrad-Fahrzeug mit Fahrer. Allein mit einem Mietwagen dorthin zu fahren, ist nicht empfehlenswert. Zum einen ist die Ausschilderung eher sparsam, zum anderen ist insbesondere entlang der Pisten, die direkt zum Nationalpark führen, häufiger mit Straßensperren von Polizei und Militär zu rechnen. Die einheimischen Fahrer wissen damit einigermaßen souverän umzugehen. 

Nachdem ich mir im Vorfeld mühsam die verfügbaren Informationen über den Nationalpark zusammengesucht hatte, konkretisierte sich das Projekt allmählich. Die Biodiversität des Parks allgemein, die landschaftlichen Highlights, wie der mächtige Inselberg Mont Niénokoué, ikonische Tierarten wie das Zwergflusspferd, das knappe Dutzend kleinerer Primatenarten und natürlich die Schimpansen sowie der Wald an sich bildeten zunächst die wichtigsten Punkte auf meiner To-do-Liste. Alles »biologische« Motive – nicht ganz ungewöhnlich für einen fotografierenden Biologen. Von vornherein aber war mir wichtig, offen für unvorhersehbare Wendungen zu sein. Denn schließlich kann man noch so sorgsam planen, nur selten besteht diese Planung – insbesondere bei solchen, aus unserer Sicht entlegenen Gebieten – vor Ort den Realitätstest.

Begegnungen

Monsieur Pahi Jocelyn Gorou ist der Chef des Dorfes Gouléako 1 und zudem ein vielseitiger Künstler, der unter anderem auch für die den alten Traditionen folgenden Bemalungen der Häuser verantwortlich ist.

Im Nationalpark verbringe ich die meiste Zeit in einfachen Camps mitten im Wald. Meist bin ich allein mit ein oder zwei Führern unterwegs, kann mich auf das konzentrieren, was uns begegnet. Mehrere Tage verbrachte ich so schon bei einer Gruppe von Schimpansen oder folgte einer Horde Rußmangaben, einer weiteren Primatenart, durchs dichte Unterholz. Unterwegs und in den Camps entstehen immer wieder Gelegenheiten, sich mit den Guides auszutauschen, sich kennenzulernen, zu erfahren, wie sich das Leben der Menschen am und im Nationalpark abspielt. Bald schon wurde mir klar, wie abhängig der Park von der Akzeptanz durch die heimische Bevölkerung ist und wie wichtig und richtig in dem Zusammenhang auch die Arbeit einer vor Ort tätigen Schutzorganisation ist. 

Die Wild Chimpanzee Foundation WCF (www.wildchimps.org) bildet in Taï nicht nur aus der Region stammende junge Menschen zu kompetenten Naturführern aus. Die Mitarbeiter ziehen hier auch durch die Dörfer, vermitteln mit teils unkonventionellen Methoden wie Theatervorführungen, wie nah uns die Schimpansen stehen und wie wichtig der Erhalt ihres Lebensraumes auch als Lebensgrundlage anderer Tiere und der hier lebenden Menschen ist. 

In verschiedenen Ökotourismus-Projekten versucht die WCF mit viel Herzblut, Einheimischen über den Nationalpark ein Auskommen zu sichern. So besteht für Touristen etwa die Möglichkeit, in einem Camp im Wald zu übernachten und von dort aus auf Wanderungen beispielsweise Rote Colobusaffen oder Mangaben teils aus unmittelbarer Nähe zu beobachten. 

Sauberes Trinkwasser direkt im Dorf zu haben ist in den ländlichen Region der Elfenbeinküste keine Selbstverständlichkeit. Mme. Delaroche Pole füllt den großen Eimer den sie dann auf dem Kopf zum nahen Haus transportiert. Der kleine Junge im Hintergrund ist Thierry Fabbian Pahi, das Patenkind von Thierry Fabbian, der das Ökotourismus für die WCF initiert hat

Das Dorf »Gouléako 1«

Die Frauen des Dorfes befreien gemeinsam die Straßenböschung von Gestrüpp.

Umfangreiche Binnenmigration führte in Côte d’Ivoire dazu, dass sich mittlerweile viele Menschen aus dem trockenen Nordosten hier in der feuchtheißen Regenwaldregion angesiedelt haben. Die traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise der ursprünglich hier lebenden Menschen geht allmählich verloren und damit auch das Wissen um nachhaltige, lokal angepasste Lebensweisen. 

Dem etwas entgegenzusetzen und gleichzeitig der traditionell lebenden Bevölkerung das Auskommen zu erleichtern, ist Anliegen eines Projekts der WCF im kleinen Dorf Gouléako 1. Thierry Fabbian, der die Zusammenarbeit der WCF mit dem Dorf über viele Jahre aufgebaut hat, stellte mich dem Chef des Dorfes, Monsieur Pahi Jocelyn Gorou, vor und von diesem erhielt ich dann die Erlaubnis, mich frei im Dorf bewegen zu dürfen – ein großes Privileg und für mich die Möglichkeit, wenigstens für einige Zeit die Bewohner im dörflichen Alltag begleiten und porträtieren zu können. Gerne verhalte ich mich in solchen Situationen unauffällig und zurückhaltend, versuche »die Fliege an der Wand« zu sein. Das ist allerdings aufgrund meiner deutlich anderen Hautfarbe eher schwer und so dauerte schon etwas länger, bis nach meiner Ankunft wieder so etwas wie Normalität einkehrte. 

Odette Gbolet

Touristen wird übrigens in Gouléako 1 die Möglichkeit geboten, in einer der typischen Lehmhütten zu übernachten und abends einer sehr authentischen Darbietung traditioneller Tänze beizuwohnen – zweifellos ein besonderes und außergewöhnliches Erlebnis (www.ecotourismetai.com). 

Meine nächste Reise in den Taï-Nationalpark ist bereits in Planung und ich freue mich schon jetzt darauf, viele Bekannte wiederzusehen und neue Menschen kennenzulernen.

Nachfolgend zeige ich noch einige der Bilder, die während meines Besuchs entstanden sind. Der Text und einige der hier zu sehenden Bilder erschienen in Ausgabe 135 des Magazins »Schwarzweiss« im April 2020.

Wichtiger Hinweis: Aufgrund der Corona-Pandemie ruht das Ökotourismus-Projekt in Tai/Gouléako derzeit. Derzeit gehen die Verantwortlichen davon aus, dass ab Herbst 2020 eventuell wieder erste Besuche möglich sein könnten. Aktuelle Hinweise finden Sie auf der Seite »www.ecotourismetai.com«. Nutzen Sie bei Interesse das dort hinterkegte Kontaktformular. Die Ansprechpartner sprechen französisch und Englisch

Odette Gbolet bereitet das Material für die traditonellen Röcke vor, die beim Tanz getragen werden.

Noémie betrachtete mich zunächst ziemlich skeptisch. 

Ignace Pahi

Mathias Pahi

Sio Théodore Golan wird im Dorf »Kaolo« genannt. Er war einer der ersten einheimischen Guides, die vor vielen Jahren gemeinsam mit Prof. Christophe Boesch Schimpansen aufgespürt haben.

Edith Tare